von André Organiska
Gosen-Neu Zittau Teil des europaweiten Projektes
Am 13.11.2015 wurden durch den Kölner Künstler Gunter Demnig zwei Messingplatten mit Namen und Lebensdaten der Malwine und Anna Blum als Opfer des nationalsozialistischen Massenmords in den Gehweg vor der Hausnummer 15 der Geschwister-Scholl-Straße im Ortsteil Neu Zittau der Gemeinde Gosen-Neu Zittau verlegt. Danach gab der Künstler wenige Meter entfernt im Gemeindeamt einen kurzen Überblick zu seinen Projekten und dem künstlerischen Schaffen.
Es fanden an diesem Vormittag rund 80 Personen den Weg an diesen Gedenkort. Darunter Bürgermeister Thomas Schwedowski, Ortsvorsteher Rainer Thomas, Gemeindevertreter Günter Sierakowski und André Organiska sowie Einwohner aus dem Ort und den Nachbargemeinden, Kinder und Jugendliche der DOCEMUS-Schule Neu Zittau und aus der Neu Zittauer Grundschule "An der Spree". Zu Beginn der Verlegung erklärte Marlies Zibolsky, die Vorsitzende des Neu Zittauer Heimatvereins, dass "gerade in der heutigen Zeit es ganz wichtig ist, Zeichen zu setzen".
Mit der durch den Neu Zittauer Heimatverein initiierten Verlegung wird Gosen-Neu Zittau Teil des europaweiten Projektes des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Die von ihm gefertigten Stolpersteine sind 10x10cm große Messingplatten auf einem Betonwürfel, die bündig in Gehwege eingelassen werden. Die Fußgänger sollen nicht im Sinne des Wortes stolpern, sondern symbolisch über die Inschrift mit Namen und Daten eines Menschen, der während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgt wurde. Erinnert wird an Juden, Sinti und Roma, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Euthanasieopfer und andere. Bis Anfang 2011 wurden etwa 27.000 Stolpersteine in fast 600 deutschen Kommunen und in zehn europäischen Ländern verlegt.
Der Gedenkstein liegt vor dem Haus, in dem ihr letzter frei gewählter Wohnort lag
So auch in der Neu Zittauer Geschwister-Scholl-Straße 15. Hier waren Malwine und Anna Blum am 09.06.1906 als Eigentümerinnen
des Grundstücks eingetragen. Am 30.06.1942 kaufte Gertrud Stoldt aus
Berlin das Grundstück. Am Ende steht im Grundbuch der Satz: "Malwine
und Anna Blum wurden 03.10.1942 nach Theresienstadt -umgesiedelt-, ihr
zurückgelassenes Vermögen -zu Gunsten des Deutschen Reiches-
eingezogen."
Marlies Zibolsky, Vorsitzende des
Heimatvereins Neu Zittau und ihre Mitstreiter wissen im Ergebniss ihrer seit mehreren Jahren andauernden Recherche, dass beide Schwestern im
Haus ein Textil- und Weißwarengeschäft betrieben haben und dort wohnten. Marlies Degenkolb und Gerfried Bienert vom Gosener Heimatverein sowie Lehrerin der Grundschule "An der Spree" Neu Zittau, Sabine Luksch, fanden einen Hinweis auf den Vater der Schwestern. Julius Blum wird in der Gründungsurkunde der Feuerwehr von 1900 erwähnt. Weitere Informationen liegen bisher nicht vor. Recherchiert wurde unter anderem im Archiv des Centrum
Judaicum in Berlin. Anna Blum am 19.08.1862 in Neu
Zittau und Malwine Blum am 08.11.1860 in Mohrin in Pommern geboren und starb Malwine nach ihrer Deportation ins Lager Theresienstadt
dort im Alter von 82 Jahren am 25.03.1943. Schwester Anna Blum hat den Holocaust überlebt. Ihr Name taucht nochmal in einem Fragebogen der Jüdischen Gemeinde zu
Berlin 1945 auf, als sich sich im Durchgangslager Berlin-Wedding befand. Sie verstarb am 02.05.1950 und wurde am 07.05.1950 auf dem
jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee beigesetzt. Das Grab konnten die Gruppe der Heimatforscher bisher nicht ausfindig machen.
Projektgeschichte
Zusammen bilden die Stolpersteine ein dezentrales Mahnmal, das die
Erinnerung an den Menschen in den Alltag bringt. Während die ersten
Aktionen noch illegal stattfanden, ist das Projekt inzwischen mehrfach
geehrt worden, unter anderem mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik
Deutschland. Zunächst setzte sich Gunter Demnig künstlerisch mit den
Deportationen von 1.000 Roma und Sinti aus Köln auseinander. Mit einer
Druckmaschine zog er 1990 eine die Deportationswege aufzeigende Spur
durch die Stadt. Einen ersten mit einer beschrifteten Messingplatte
versehenen Stein ließ Demnig 1992, zum 50. Jahrestag des Befehls zur
Deportation der "Zigeuner", vor dem Historischen Kölner Rathaus in das
Pflaster ein. Auf dem Stein sind die ersten Zeilen dieses Erlasses zu
lesen. Daraufhin entwickelte Demnig das Projekt "Stolpersteine". Nach
einer Ausstellung von 250 Stolpersteinen in der Antoniterkirche und
einer probeweisen Verlegung der ersten Steine in Köln bildete eine
ungenehmigte Verlegung von über 50 Steinen in der Oranienstraße,
Berlin-Kreuzberg den Start des Projektes. Behördlich genehmigt konnte
Demnig die ersten zwei Steine am 19.07.1997 in St. Georgen bei
Salzburg verlegen. In Deutschland wartete er auf die amtliche Erlaubnis
bis zum Jahr 2000. Seitdem wird diese persönliche Form des Gedenkens an
die Opfer des Nationalsozialismus von Initiativgruppen, Einzelpersonen,
Schülergruppen und in zunehmendem Maße von Angehörigen verbreitet.
Weitere Informationen unter www.stolpersteine.eu
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